USCGC Courier — Die schwimmende Stimme der Freiheit

Ein Rückblick von Martin van der Ven (2025)

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„Bewaffnet mit der mächtigsten Waffe von allen: der Wahrheit.“

Mit diesem Motto ging die USCGC Courier in den Kalten Krieg. Das Schiff war kein gewöhnliches Marineschiff, sondern eine schwimmende Relaisstation der Voice of America (VoA). Zwischen 1952 und 1964 sendete es in bis zu 16 Sprachen Nachrichten, Musik und politische Programme in Richtung Naher Osten, Osteuropa und Nordafrika – stets im Kampf gegen Naturgewalten, technische Herausforderungen und gezielte Störsender aus dem Osten.

USCGC Courier – U.S. Coast Guard, Public domain – https://www.history.uscg.mil/Our-Collections/Photos/igphoto/2003216772/

 

Vom Frachter zur schwimmenden Radiostation (1945–1952)

Die Geschichte der Courier begann unspektakulär: Im Januar 1945 legte die Firma Froemming Brothers in Milwaukee, Wisconsin, den Kiel eines neuen Frachters. Ursprünglich trug das Schiff den Namen Doddridge, doch noch im selben Jahr lief es als M/V Coastal Messenger vom Stapel.

Das für den Transport von Militär- und Marineladungen konzipierte Schiff diente in den späten 1940er-Jahren bei der Standard Fruit & Steamship Company und der Grace Line entlang der nord-südamerikanischen Küsten. Auf einer dieser Fahrten lief die Coastal Messenger vor Venezuela auf Grund – ein Zwischenfall, der schließlich dazu führte, dass sie in die Reserveflotte eingemottet wurde.

1950 entstand im US-Außenministerium die Idee, eine Flotte von sechs Radioschiffen aufzubauen, die als mobile Relaisstationen der Voice of America rund um die Welt senden sollten. 1952 wurde die Coastal Messenger ausgewählt, um zum ersten dieser Schiffe umzubauen. Sie erhielt neue technische Anlagen, eine leistungsstarke Sendeausrüstung – und einen neuen Namen: Courier. Ursprünglich war ihr Einsatz vor der koreanischen Halbinsel geplant, doch bald führte ihr Kurs in eine andere, geschichtsträchtige Richtung.

 

Jean Wycoff Seymour with Panamanian officer aboard USCGC Courier – Voice of America, Public domain, via Wikimedia Commons

Das Radioschiff USCGC Courier (WAGR-410)

Die offizielle Kennung des Schiffs lautete WAGR-410. Das Kürzel steht für:

  • W – Coast Guard (Küstenwache),
  • A – Auxiliary (Arbeitsschiff),
  • G – Large (großes Schiff),
  • R – Radio.

Technische Daten:
Verdrängung: 5.740 t
Länge: 103,25 m
Breite: 15,34 m
Tiefgang: 5,26 m
Antrieb: Norberg-Dieselmotor, 6 Zylinder, 1.700 SHP, Einzelschraube
Geschwindigkeit: max. 19,6 km/h
Reichweite: 24.273 Meilen
Besatzung (1952): 10 Offiziere, 80 Matrosen, 3 Funktechniker, 1 Programmkoordinator

An Bord befanden sich zwei Collins 207B-Kurzwellensender, die mit gefalteten Discone-Antennen gekoppelt waren: vorne an Steuerbord eine Mittelwellenantenne für höhere Frequenzen und an Backbord eine weitere Mittelwellenantenne für niedrigere Frequenzen. Außerdem gab es einen RCA-Mittelwellensender mit einer Leistung von 150 kW. Der Modulator und die Endstufen 9C21 wurden mit einem Destillationswassersystem gekühlt. Die Collins-Sender waren luftgekühlt und hatten eine Leistung von 35 kW. Außerdem gehörten drei 500-kW-Dreiphasengeneratoren zum Equipment, von denen zwei bei voller Leistung die gesamte Ausrüstung betreiben konnten.

USCGC Courier below deck transmitter room – Voice of America, Public domain, via Wikimedia Commons

 

Einweihungszeremonie mit Präsident Truman

Am 4. März 1952 wurde die Courier in Washington, D.C. feierlich in Dienst gestellt. Präsident Harry S. Truman würdigte das Schiff mit eindringlichen Worten:

„Der Name Courier ist treffend gewählt. Dieses Schiff wird all jenen, die von der Tyrannei unterdrückt werden, eine Botschaft von Hoffnung und Freundschaft bringen – eine Botschaft der Wahrheit und des Lichts für jene, die vom Sturm der Lüge verwirrt sind, den die Kommunisten über die Welt gebracht haben. Dieses Schiff trägt eine kostbare Fracht: die Wahrheit.“

March 4, 1952. Credit: Rowe, Abbie, National Park Service, Harry S. Truman Library & Museum – https://www.coldwarradiomuseum.com/uscgc-courier-wagr-410-was-voice-of-america-shortwave-transmitting-station-19521964-as-uscgc-courier-wagr-410/

 

Probefahrten und erste Testsendungen

Vor ihrem endgültigen Einsatz absolvierte die Courier eine sechswöchige Erprobungsfahrt, die sie unter anderem nach La Guaira (Venezuela), Cartagena (Kolumbien), Panama und Veracruz (Mexiko) führte. Am 18. April 1952 wurden in der Panamakanalzone erste Testsendungen gefahren – unter dem Rufzeichen KU2XAJ auf 6110 und 9690 kHz (Kurzwelle, 35 kW) sowie 1510 kHz (Mittelwelle, 150 kW).

Die Übertragungen dauerten täglich von 17 bis 23 Uhr und waren nicht nur in der Karibik, sondern auch in Europa und Neuseeland zu empfangen. Eine typische Ansage lautete:

„[Voice of] America sendet über die Courier, die schwimmende Station KU2XAJ in den Gewässern des Panamakanals. Dieser Sender testet seine elektronische Ausrüstung mit Programmen in spanischer Sprache auf 1510 kHz, 9690 und 6110 kHz. Techniker der VoA freuen sich über Empfangsberichte an: Courier, Apartado 2016, Balboa, Zona del Canal.

Am 18. Juni 1952 kehrte die Courier nach New York zurück. Einen Monat später begann ihre Überfahrt ins östliche Mittelmeer – über Tanger, Neapel und Piräus – bis sie am 22. August 1952 den Hafen von Rhodos erreichte. Am 7. September nahm sie dort den offiziellen Sendebetrieb auf.

 

Sendeplatz Rhodos

Rhodos – mythische Insel des Sonnengottes Helios und Standort des einstigen Kolosses von Rhodos – bot einen symbolträchtigen Ort für das „Schiff der Wahrheit“. Die Insel, seit 1948 wieder Teil Griechenlands, lag in unmittelbarer Nähe zur geopolitischen Bruchlinie des Kalten Krieges.

Nach Jahren unter italienischer und deutscher Besatzung war Griechenland durch den Bürgerkrieg tief erschüttert, als die Courier vor Anker ging. Der Standort war zugleich strategisch wie symbolisch klug gewählt: Griechenland war gerade der NATO beigetreten, und die Präsenz des amerikanischen Sendeschiffs galt als sichtbares Zeichen westlicher Solidarität.

Gewöhnlich lag die Courier am Fort des Heiligen Nikolaos an der Mole des Mandrakihafens, gelegentlich jedoch auch auf Reede – rund eine Seemeile vor dem Leuchtturm Agios Nikolaos.

Die USCGC Courier im Hafen von Rhodos (unbekannter Fotograf)

 

Ungewöhnliche Antennen – und eine Geschichte mit Kühen

Für ihre Mittelwellensendungen nutzte die Courier zunächst eine 10,7 × 21 Meter große Fesselballonantenne, gefüllt mit 4.250 Kubikmetern Helium. Fünf dieser teuren Ballons hatte das Schiff an Bord. Doch das System war anfällig: Bei starkem Wind riss die Antenne mehrfach los und trieb davon – mitunter bis in die Türkei.

Captive Balloon Supports ‘Voice of America’ Antenna aboard CGC Courier, 1952 – U.S. Coast Guard, Public domain – U.S. Coast Guard, Public domain

Eine kuriose Folge war ein diplomatisches Nachspiel: Mehrere türkische Landwirte erhielten Entschädigungen, nachdem ihre Kühe angeblich keine Milch mehr gaben, weil sie von einem herabgegangenen Ballon erschreckt worden waren (Paul R. McKenna, Naval History Magazine, April 1991).

Schließlich ersetzte man das unzuverlässige System durch eine mastgestützte Inverted-Delta-Loop-Antenne. Dazu wurde die Courier zunächst nach Malta und anschließend nach Thessaloniki gebracht, wo neue Antennenanlagen installiert wurden. Laut der australischen Zeitschrift Radio & Hobbies sendete das Schiff zeitweise sogar direkt aus dem Hafen von Thessaloniki.

 

USCGC Courier towing barrage balloon – VOA/Paul Tabailoux, Public domain, via Wikimedia Commons

Zwischen Störsendern und Signalrauschen

Auf der Mittelwelle arbeitete die Courier auf 1259 kHz, während sie auf Kurzwelle Programme der Voice of America in 16 Sprachen in den Nahen Osten und nach Osteuropa weiterleitete.

Im Gegensatz zu den späteren Offshore-Radios der 1960er- bis 1980er-Jahre operierte die Courier nicht außerhalb territorialer Gewässer, sondern innerhalb griechischer Hoheit – mit voller Zustimmung der Regierung in Athen. Das war diplomatisch bedeutsam: Die Courier gehörte der US Coast Guard und stand unter Kontrolle der United States Information Agency (USIA), nicht der Marine. So blieb ihre Mission offiziell zivil – ein Symbol kultureller, nicht militärischer Präsenz.

Die eingehenden VoA-Programme wurden meist aus Tanger oder direkt aus den USA empfangen. Da die starken eigenen Sender an Bord die Empfangsantennen am Heck störten, schirmte man sie mit einem „Bird Cage“ – einem improvisierten Faradayschen Käfig – ab. Doch auch das reichte nicht aus. Schließlich errichtete man eine zusätzliche Empfangsstation auf dem nahegelegenen Hügel Monte Smith (auch St. Stefan’s Hill genannt), deren Signal per UHF-Funk zur Courier übertragen wurde. Diese Lösung erwies sich als deutlich stabiler und störsicherer.

Das Seefunkrufzeichen der Courier lautete NFKW. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, aufgezeichnete Sendungen abzuspielen und Live-Feeds weiterzuleiten. Doch der Äther war umkämpft: Aus dem Osten versuchten sowjetische und verbündete Störsender, die Übertragungen zu blockieren. Es war ein permanentes „Katz-und-Maus-Spiel“ – Elektronik gegen Elektronik, oder aus amerikanischer Sicht: “die Wahrheit gegen kommunistische Propaganda”.

 

Kurioses und Zwischenfälle

Die enorme Sendeleistung der Courier brachte unerwartete Nebenwirkungen. Lose Metallteile an Bord mussten geerdet werden, sonst wurden sie durch Hochfrequenzfelder so stark aufgeladen, dass Verbrennungen oder Brände drohten. Ein Steuermann konnte eines Tages nicht zu einem festgemachten Versorgungsboot gelangen, weil der Bootsausleger buchstäblich zu heiß war – die Sohlen seiner Schuhe begannen zu schmelzen.

Neuankömmlinge wurden gern mit einem kleinen Scherz begrüßt: einer glühenden Leuchtstoffröhre, die an nichts angeschlossen war – nur von der Radiostrahlung des Schiffs zum Leuchten gebracht.

Auch das Mittelmeer hatte seine Überraschungen. Eines Nachts ignorierte ein Fischerboot sämtliche Signale, die ein Nähern untersagten. Als die Courier schließlich den Sendebetrieb startete, entluden sich elektrische Spannungen in Form von Elmsfeuern – bläulichen Lichtblitzen an den Antennen. Ein Blitz sprang auf den Mast des Fischerboots über, offenbar in dessen Funkgerät. Das Boot verschwand fluchtartig – und wurde nie wieder gesehen.

Einmal diente die Courier sogar als Transportmittel: Auf Bitte des griechisch-orthodoxen Erzbischofs der Dodekanes brachte sie ihn und eine Gruppe Pfadfinder auf die nahegelegene Insel Kastellorizo – selbstverständlich, während der reguläre Sendebetrieb weiterlief.

USCGC Courier off Rhodes – U.S. Coast Guard, Public domain, via Wikimedia Commons

 

Leben an Bord und auf Rhodos

Verheiratete Crewmitglieder durften ihre Familien nach Rhodos mitbringen. So entstand auf der Insel eine kleine amerikanische Gemeinschaft mit Wohnungen, Geschäften und einer eigenen Schule, in der auch griechische Lehrkräfte unterrichteten.

Anfangs begegneten viele Einwohner den Amerikanern mit Skepsis, doch bald wandelte sich die Stimmung. Die Präsenz der Courier-Gemeinschaft kurbelte die lokale Wirtschaft an, brachte neue Arbeitsplätze – und nicht selten auch Freundschaften oder gar Ehen zwischen Insulanern und Crewmitgliedern hervor.

 

Das Ende einer Mission

Nach zwölf Jahren im Dienst der „Stimme der Freiheit“ bereitete sich die Courier 1964 auf ihre Rückkehr in die USA vor. In einer Werft in Skaramagas bei Piräus wurden letzte Wartungsarbeiten durchgeführt – und selbst dort, während sie im Trockendock hing, blieb sie „auf Sendung“, geerdet durch ein massives Kabel am Kai.

Am 17. Mai 1964 ging die letzte Sendung über den Äther. Die technische Ausrüstung wurde an Griechenland übergeben, und das Schiff trat die Heimreise an – über Neapel, Barcelona und die Azoren. Am 13. August 1964 erreichte die Courier die amerikanische Ostküste.

Zwei Jahre später wurde sie erneut in Dienst gestellt, diesmal als Ausbildungsschiff der Küstenwache. 1972 erfolgte die endgültige Außerdienststellung, 1975 schließlich die Verschrottung.

Was blieb, war ihr Vermächtnis: ein Schiff, das während des Kalten Krieges nicht mit Waffen, sondern mit Worten kämpfte – und dessen Antennen über Jahre hinweg zu Symbolen einer freien, unzensierten Welt wurden.

 

Fazit

Die Geschichte der USCGC Courier ist ein einzigartiges Kapitel internationaler Rundfunkgeschichte. Sie zeigt, wie zu Beginn der fünfziger Jahre Sendetechnik, Diplomatie und Ideologie im Mittelmeer zusammentrafen – und wie ein Radioschiff zu einem Symbol für den Glauben an die Freiheit wurde.

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