Teil 4: Satellit und Internet

Empfang auch ohne (richtigen) Seesender

Nachdem Radio Caroline letztmalig von der Ross Revenge im November 1990 zu hören war, verlor das Sendeschiff ein Jahr später während eines Sturms seinen Anker und wurde in den Hafen von Dover geschleppt. Das Ende der Seesender zumindest im europäischen Raum war nun wohl endgültig gekommen.

Die neunziger Jahre brachten eine grundlegende Änderung meines Hobbys mit sich. Im März 1993 besuchte ich erstmals den „Zeezenderdag“ in Haarlem (später Radio Day genannt). Ich lernte viele neue Radiofreunde kennen und tummelte mich in den kommenden Jahrzehnten mit viel Freude und Engagement in der Szene der Seesender-Fans. 1995 bekam unser Sohn David seinen ersten PC, und auch der inzwischen 40jährige Vater beschäftigte sich fortan intensiv mit dem für ihn zunächst noch fremden Gerät und dem neuen Internet, das ungeahnte Kommunikationsmöglichkeiten erschloss. Ab Dezember 1996 hatte ich meine erste eigene Webseite „Offshore Radio Links“, die 1999 zum „Offshore Radio Guide“ wurde und im Laufe von mehr als drei Jahrzehnten hunderttausende Besucher hatte. Meine CD-ROM zum Thema Seesender (eine Art Offshore-Radio-Internet auf CD) wurde kontinuierlich umfangreicher und später als DVD (“Offshore Multimedia”) angeboten, die auch Jim Parkes‘ Encyclopedia of Offshore Radio enthielt. Unser Sohn David und später unsere Tochter Miriam produzierten und vertrieben die kleinen Scheiben. Wir fanden begeisterte Käufer in der ganzen Welt (selbst in Japan!), und unsere Kinder verdienten sich damit ein schönes Taschengeld.

Seit dem Beginn der neunziger Jahre interessierte ich mich immer häufiger für den Satellitenempfang. Daran waren vor allem die ehemaligen Seesender ganz entscheidend beteiligt. Von Monat zu Monat gab es immer mehr „Reinkarnationen“ oder Nachahmer der früheren Offshore-Stationen, die auf mehreren Satellitenpositionen zu empfangen waren. Die Experten streiten sich bis heute darüber, ob es sich beispielsweise bei Radio Caroline um das „echte“ Caroline handelt, und ob der im Jahr 2020 verstorbene Ronan O‘Rahilly wirklich hinter der sich bis heute so nennenden Radiostation stand oder ob der mehr als drei Jahrzehnte als emsiger und umsichtiger Manager fungierende Peter Moore den Namen Caroline nur „gestohlen“ hat und das Sendeschiff eigennützig in der Mündung des River Blackwater verankert hält (und damit am Ausfahren auf die hohe See hindert). Mir selbst erscheint eine derartige Diskussion schon seit Jahren müßig, haben doch Seesender in der heutigen Internet-Zeit unter den gegebenen juristischen Bedingungen keine realistische Überlebenschance.

Viel interessanter erschien mir, dass zahllose DJs, die vorher auf den Sendeschiffen aktiv waren, schon zu Beginn der neunziger Jahre (und vielfach noch bis heute) über Satellit oder Internet in glasklarer Empfangsqualität zu hören waren. Auch beim viel kritisierten (und eigentlich doch bewundernswert standhaften) Radio Caroline waren schon seit Anfang der neunziger Jahre bekannte Stimmen wie Johnny Lewis, Bob Lawrence (Richard Thompson), Steve Conway, Dave Foster, Chris Kennedy, Jerry Wright; Martin Fisher und selbst Roger ‚Twiggy‘ Day zu hören – um nur einige zu nennen. Besondere Beachtung verdient nach meiner Meinung der schon seit 1976 bei Radio Caroline aktive Nigel Harris (in den siebziger Jahren nannte er sich Stuart Russel), der an jedem Freitagnachmittag seine Hörer mit einer hervorragenden Musikmischung und einem gelassenen, sachlichen Präsentationsstil erfreut. Und damit nicht genug: unzählige englische und natürlich auch niederländische DJs tauchten bei verschiedenen Radiostationen auf, die in den neunziger und „nuller“ Jahren zunächst mit einem Satellitenreceiver und einer entsprechenden Empfangsantenne zu hören waren.

Doch der Reihe nach: Zu Anfang des Jahres 1992 erwarb ich eine kleine Satellitenschüssel und einen Billigreceiver. Trotz vorhandenem Kabelanschluss installierte ich die Anlage ohne Wissen unseres Vermieters auf dem Balkon und verlegte ein Kabel bis ins Wohnzimmer. Als Tonbandgerät fungierte ab sofort ein VHS-Videorecorder, mit dem sich bis zu 8 Stunden lange Mitschnitte in verlustfreier Qualität anfertigen ließen – und das ohne Bandsalat. Außerdem ließ sich der Videorecorder bequem programmieren, so dass man gewünschte Aufnahmen für jede Tag- und Nachtzeit festlegen konnte – ein unschätzbarer Vorteil. Schon nach kurzer Zeit war ein Regal mit bespielten VHS-Kassetten gefüllt, auf denen sich Aufnahmen der per Satellit empfangbaren Stationen Radio Caroline, Radio 10 Gold [ ], Holland FM [ ] [ ] (später Hitradio Veronica), RTL (später Happy RTL [ ]), Virgin FM [ ], Euronet, Merlin Network One (MNO), RNI (Norwegen), Radio Noordzee Nationaal [ ], Quality Europe FM [ ] oder Classic Gold [ ] fanden. Bis heute bin ich stolz auf diese „Empfänge“ und höre gern die inzwischen digitalisierten Mitschnitte.

Im Frühjahr 1992 begann die neue Radiostation Euronet mit ihren Sendungen auf dem Astra-Satelliten, und ich verpasste in den kommenden zwölf Monaten kaum einen Sendetag. Treibende Kraft war Christopher England, der früher bei Radio Caroline auf der Ross Revenge gearbeitet hatte. Er stellte ein Sammelsurium an interessanten Programmen zusammen, darunter wöchentliche Voice-of-Peace-Stunden, die auf dem allseits bekannten Sendeschiff vor der israelischen Küste aufgenommen wurden und hier bei Euronet in sehr guter Qualität zu hören waren [ ]. Andere Beispiele waren die „Radio Daze“ mit dem Mega-Anorak Andy Walker, der in seiner Sendung interessante Mitschnitte der Offshorestationen vorstellte [ ], das Programm „Laser Rock“, (präsentiert von den früheren Carolinejocks Steve Conway und Neil Gates) oder der wöchentliche „Tender Trip“ mit langen Monologen von Iain Johnston (John Burch vom Caroline Movement) zu allen möglichen Sendeschiffen und zur Zukunft von Radio Caroline [ ]. Außerdem waren bei Euronet stundenlange faszinierende Mitschnitte von „Offshore Radio 1584“ zu hören, einem legalen Seesender von dem Schiff Galexy, das im August 1992 mit einer Restricted Service Licence (RSL) vor der Küste von Walton on the Naze in Essex vier Wochen lang nostalgische Programme ausgestrahlte [ ], die an die Seesenderzeit in den sechziger Jahren erinnerten. Christopher England selbst hielt zwischen den Programmen lange Monologe [ ], in denen er meist über Radio Caroline philosophierte und dabei den Stationsmanager Peter Moore nicht nur durch den Kakao zog, sondern häufig auch mit zynischen Worten beleidigte. Zwischendurch gewann man den Eindruck, Christopher England selbst wolle Radio Caroline übernehmen und Euronet entsprechend umbenennen. Doch dazu kam es nicht. Die mich lange Zeit fesselnde, innovative Radiostation stellte im Frühjahr 1993 leider ihre Sendungen ein.

World Radio Network (WRN) wurde ebenfalls 1992 aufgeschaltet. Hier konnte man eine Vielzahl an Radioprogrammen verschiedener Auslandsdiensten aus der ganzen Welt hören, die bis dahin nur von DXern auf Kurzwelle zu empfangen waren. So kam nun auch die Sendung “Media Network” von Radio Nederland Wereldomroep mit dem sympathisch-gelassenen Jonathan Marks in hervorragender Qualität herein. Dort gab es immer wieder Neuigkeiten aus der Offshore-Szene [ ].

Als wir 1993 in unser neues Haus zogen, hatte ich mich monatelang mit der Frage beschäftigt, welche drehbare und vor allem größere Satellitenschüssel für den Empfang beispielsweise von Radio Caroline geeignet war, das damals von der skandinavischen Satellitenposition 1° West auf Intelsat sendete, wo das norwegische Radio Nordsee untergebracht war, das Caroline Sendezeit zur Verfügung stellte und bei dem aber auch deutschsprachige Sendungen mit u.a. Markus Weidner (Mike Anderson) zu hören waren [ ]. Ich wurde nach und nach zum Satelliten-DXer und schaffte mir schließlich eine 2,40 m-Schüssel an, mit der wir seltene Fernsehstationen am Horizont von etwa 40° Ost bis 45° West empfangen konnten. Unser Sohn David war besonders stolz auf die Aufnahmen von der russischen Raumstation Mir, die sporadisch zu empfangen waren und von uns natürlich auf einem VHS-Band festgehalten wurden. Ich übermittelte vermeintliche Empfangs-Raritäten (beispielsweise Frequenzen von auch „Feeds“ genannten Übertragungskanälen) an die “Sat-Corner” in der Sendung “DX-Aktuell” beim Deutschlandradio (damals zu hören auf der Langwelle 177 kHz [ ]) und an den Satelliten-Guru Norbert Schlammer in Berlin, der regelmäßig bei verschiedenen Mediensendungen erwähnt wurde und den ich einmal auch persönlich in Berlin aufsuchte, um seine riesigen Sat-Schüsseln auf dem Dach sowie die High-Tech-Receiver in seiner kleinen Wohnung zu bewundern. Gern hörte ich auch “Sat Compact” auf RadioRopa Info oder “Satellite News” auf MDR Sputnik (beide Sendungen mit Markus Weidner).

Schließlich wurde ich noch verrückter und ersetzte die 2,40 m-Schüssel durch eine stabilere und größere mit einem Durchmesser von 3 m. Neugierige Nachbarn oder Spaziergänger fragten mich immer wieder: „Ach, Sie funken sicher, Herr Doktor?“ Aus diesen Ausführungen wird deutlich, welche Geduld und Toleranz meine Frau mir auch bei diesem Hobby entgegenbrachte. So manche Freundin kondolierte ihr wegen der Verschandelung unseres schönen Gartens… Mit großem Interesse sah ich regelmäßig die TELE-satellit-Sendungen von „Dr. Dish“ (Christian Mass). Schließlich produzierte ich mit meiner Familie einen kleinen Film über meine Satelliten-Anlage, der dann prompt auch in der Sendung gezeigt wurde.

Und ich hörte bis dahin unbekannte Radiofreunde über Satellit, darunter Eric Wiltsher, ein begeisterter Medienfachmann und Anorak, der über mehrere Jahre hinweg auf verschiedenen Stationen (Quality Europe FM, Euronet, Merlin Network One, CMR) seine faszinierende wöchentliche Mediensendung „TESUG Satellite Surgery“ (später: „MediaZoo“) präsentierte und dabei nie die Seesender bzw. ihre Nachfolger vergaß. Einmal widmete der enthusiastische Eric unserer Offshore-CD-ROM sogar eine ganze Sendung… Wiederholt präsentierte Eric über verschiedene Satelliten auch mehrstündige TESUG-TV-Fernsehsendungen (“Satellite Festivals”) vornehmlich zum Thema Satelliten-Empfang [ ], die ich natürlich begeistert verfolgte und aufzeichnete. Eric erwähnte dabei immer wieder die Seesender, so dass 1995 auch ein Bericht über einen Trip zur MV Communicator im IJsselmeer und ein Interview mit Ex-Radio-Monique-DJ Ad Roberts sowie 1997 ein längerer Film über Erics Besuch auf der MV Ross Revenge zu sehen waren, wo Peter Moore ihn durch das Schiff führte.

Auch DJs, die niemals zuvor auf einem Schiff Radiosendungen gemacht hatten, begeisterten mich. Hier stachen vor allem der herrlich Schottisch sprechende Johnny Reece [ ] (er hielt sich bei Radio Caroline konsequent an das frühere Album-Format und machte später die “Album Zone” zu einer eigenen Station) und Mark Stafford hervor, der seit inzwischen fast 3 Jahrzehnten als wandelndes Musiklexikon eine faszinierende wöchentliche Show (“Stafford’s World”) produziert, die nicht nur bei Radio Caroline, sondern bei zahlreichen Stationen auf der ganzen Welt gehört werden können.

1998 tauchte dann mit dem schon erwähnten Merlin Network One eine neue Radiostation auf dem Satellitenhimmel auf, bei der erneut Christopher England und Eric Wiltsher federführend waren. Man ging nun vergleichsweise seriöser vor, mietete Sendezeit gleich auf mehreren Satelliten und zahlreichen Kurzwellenstationen, sodass nach eigener Mitteilung „die ganze Welt“ erreichbar war. MNO verkaufte Sendezeit an ganz unterschiedliche Interessenten, so auch an Radio Caroline, das hier täglich mehrstündig zu hören war. Mitunter strahlte man auch Mitschnitte von Carolines RSL-Sendungen aus.

Ein einzigartiger Höhepunkt war für mich der 14. August 1998. Dies war 31. Jahrestag des Closedowns der englischen Seesender. Wir machten zu diesem Zeitpunkt Urlaub in der Bretagne, und ich hatte zu Hause natürlich den Videorecorder für das das besagte Wochenende programmiert, damit ich das ausführliche Interview von Johnnie Walker mit Ronan O‘Rahilly nicht verpasste [ ], das im Rahmen der Caroline-Sendungen ausgestrahlt wurde und in der Bretagne auf Kurzwelle zu hören war. Ein weiterer Höhepunkt dieses „Radio Festivals“ waren die MNO-Sendungen von „Big L Radio London“. Hier durfte Ray Anderson seinen offensichtlichen Wunsch ausleben, seinen Lieblingssender der sechziger Jahre wieder auferstehen zu lassen. Dies sollte sich in den folgenden Jahrzehnten mehrfach wiederholen, sowohl bei verschiedenen RSLs als auch bei seinen Sendungen auf der ehemaligen niederländischen Mittelwellenfrequenz 1395 kHz.

Im Oktober 1997 konnte man erstmals European Klassic Rock (EKR) auf Astra empfangen. Bis Januar 1999 hörte man ein überragendes Musikprogramm mit früheren Seesender-DJs wie Brian Martin, Keith Lewis, Dave Windsor oder Peter Quinn. Radio Caroline, das schon vorher stundenweise bei EKR Programme ausstrahlen konnte, übernahm dann die EKR-Studios in Maidstone (Kent). Ich hörte regelmäßig vor allem am Wochenende Caroline-Sendungen in wunderbarer Qualität mit bekannten Stimmen wie Johnny Lewis, Steve Conway, Nigel Harris, Bob Lawrence, Brian Martin oder Gästen wie Charlie Wolf [ ]. Zu Anfang Juli 2000 besuchte ich mit Gerhard Fiolka das Sendeschiff Ross Revenge und auch die Studios in Maidstone. Wir wurden von Johnny Lewis [ ] sowie David Foster und Mark Stafford [ ] freundlich empfangen und live über den Sender nach unseren Eindrücken befragt.

Im Jahr 2001 wurde kurzfristig sogar der aus den siebziger Jahren bekannte „Berlin-Service“ bei Radio Caroline wiederbelebt. Ich telefonierte häufig mit Claus Grote in Berlin, der nach meiner Einschätzung eine wunderbare deutschsprachige Sendung [ ] produzierte, die aber leider beim englischsprachigen Caroline nicht die verdiente Wertschätzung fand, sodass Claus das Handtuch warf. Paul Meier (Frans-Ludwig Pohlmeier), der anfangs von Bobby Smith (Helmut Runge) unterstützt wurde, blieb mit seinem liebevoll produzierten „German Caroline“ danach etwas standhafter [ ], musste schließlich aber ebenfalls die Segel streichen und gründete dann sein eigenes Radio Sunrise.

Die nach und nach auf den verschiedenen Fernsehsatelliten erfolgende Umstellung von analoger zu digitaler Verbreitung und führte – parallel zu der sprunghaften Weiterentwicklung des Internets mit immer schnelleren Leitungen – zu einem Bedeutungsverlust des Satellitenempfangs in Bezug auf den Radioempfang. So war es auch bei mir. Ich verlor nach und nach das Interesse an meinem Satelliten-Hobby und ließ im Jahr 2007 einen großen Kran kommen, der den riesigen Betonklotz in unserem Garten entfernte, auf dem die große Schüssel stand. Was war Ulrike erleichtert (und ich ein wenig traurig). Die riesige Anlage wurde nun durch eine wesentlich kleinere Schüssel (allerdings mit 9 nebeneinder angebrachten LNBs) ersetzt, die fast nur noch unserem Fernsehempfang diente. 2015 folgte schließlich eine auf die „normale“ Astra-19°-Position beschränkte, noch kleinere Schüssel, mit der wir kaum jemals noch Radio hören.

Heutzutage ist es eine Binsenweisheit, dass üblicherweise Abertausende von Radiostationen problemlos als Stream im Internet gehört werden können, darunter auch weiterhin „unser“ Radio Caroline sowie andere Stationen, die sich an die Seesender anlehnen oder sie ein wenig nachzuahmen versuchen. Die Vielfalt ist unermesslich und großartig. Entsprechende Links findet man auf dieser Webseite.

Noch mal zurück zur Mittelwelle

Auch nach dem Ende der europäischen Seesender im November 1990 gab es (wenn auch im Abstand von meist mehreren Jahren) zahlreiche Möglichkeiten zum Mittelwellenempfang für den Anorak. Zunächst muss da natürlich die MV Communicator, das ehemalige Sendeschiff von Laser 558 und Laser Hot Hits 576, genannt werden, die von Oktober 1994 bis Juli 2002 nacheinander für die Stationen Holland FM, Hitradio Holland FM, Hitradio 1224, Hitradio Veronica, Q-Radio und Q-The Beat ein Mittelwellensignal ausstrahlte. Anfangs lag das Sendeschiff im IJsselmeer zwischen Enkhuizen und Lelystad, später dann in Pampushaven bei Almere. Natürlich testete ich immer mal wieder die auch in Meppen recht gute Empfangsqualität aus. Allerdings war der Empfang über Satellit natürlich um Längen besser und wurde von mir daher bevorzugt. Ich habe die MV Communicator immer wieder besucht und jeweils viele Fotos gemacht. In besonderer Erinnerung blieb mir vor allem der erste Trip zu Ende Oktober 1994, als Ulrike, David, Miriam und ich sehr freundlich von Martin Verdoorn auf dem Schiff begrüßt wurden.

Im August 1999 liefen vom Feuerschiff LV 18 vor der Küste von Harwich „Gedenksendungen“ an Radio Nordsee International im Rahmen einer RSL. Ich witterte Morgenluft und wollte unbedingt probieren, ob man die Programme, die mit nur sehr niedriger Sendeleistung ausgestrahlt wurden, auch an der holländischen Küste empfangen konnten. So fuhr ich mit Gerhard Fiolka nach Zandvoort, und tatsächlich: Mithilfe meiner Rahmenantenne hörten wir ein brauchbares Signal, und mit meinem Sangean-Radio, das über einen eingebauten Kassettenrekorder verfügt, machte ich einen Mitschnitt [ ].

Wenige Tage später war ich erneut in den Niederlanden, da im Hotel Lapershoek mehrere Tage an Radio Veronica erinnert wurde. Livesendungen und Mitschnitte alter Programme aus der Seesenderzeit wurden auf 1224 kHz ausgestrahlt und waren auch in Meppen mit sehr gutem Signal zu empfangen, das sich durch die Rahmenantenne noch verbessern ließ. In Hilversum sahen Gerhard und ich dann Berühmtheiten wie Tom Mulder (Klaas Vaak), Tineke und Ad Bouman beim Radiomachen zu.

An meinem 45. Geburtstag, dem 19.8.2000, ging es nach Leeuwarden, wo das Veronicaschiff Norderney verankert lag. Hier fand der Radio Caroline Supporters Day statt. An diesem Tag boten Carolines Satellitensendungen über den besonders starken englischen Mittelwellensender auf 1296 kHz übertragen, und im Auto hörten wir begeistert ein hervorragendes Signal – wie in alten Zeiten!

Im August 2004 stand ein weiteres Veronica-Event in Hilversum an. Erneut wurde über mehrere Tage das entsprechende Programm auf Mittelwelle übertragen, diesmal auf 828 kHz. Natürlich war ich auch dieses Mal dabei und sah Joost den Draaijer, Jan van Veen, Eddie Becker und Bart van Leeuwen und anderen zu, nachdem ich zuvor schon zu Hause erfolgreiche Empfangsversuche gemacht hatte.

Bekanntermaßen fristete die Mittelwelle im neuen Jahrtausend nur noch ein Schattendasein, und immer mehr Sender wurden europaweit außer Betrieb gestellt und Sendemasten abgerissen. Im Gegensatz zu dieser Entwicklung begann Radio Caroline dann jedoch im Dezember 2017 mit einer offiziellen Lizenz (!), sein inzwischen seit vielen Jahren glasklar und in Stereo im Internet zu empfangendes Programm parallel auf Mittelwelle 648 kHz auszustrahlen. Man benutzte die frühere BBC-Antennenanlage in Orfordness in der Grafschaft Suffolk an der Südostküste von Großbritannien. Die Sendeleistung betrug anfangs nur 1 kW, später dann 4 kW. Dennoch war ich begeistert und machte in der Folgezeit erfolgreiche Empfangsversuche nicht nur in Meppen, sondern auch auf Juist und wiederum in Vester Husby an der dänischen Nordseeküste (nunmehr aber mit einer kleineren Rahmenantenne) sowie in Rees-Millingen im Garten meines Elternhauses. Besondere Freude mit einem Gänsehautgefühl machte das Seventies-Revival-Wochenende auf der Ross Revenge im Juli 2022, das natürlich live auf Mittelwelle und im Internet übertragen wurde [ ]. So waren beispielsweise Mark Lawrence, Mike Stevens, Roger Mathews oder James Ross zu hören, und man fühlte sich mit einer Zeitmaschine zurück in die siebziger Jahre versetzt.

Anfang April 2023 lag im dänischen Vester Husby krank im Bett. hörte über Mittelwelle Johnny Lewis und fühlte mich an das Jahr 1984 erinnert: Derselbe Sender, dieselbe Stimme, der fröhliche und immer optimistisch gestimmte Johnny, den ich per E-Mail erreichte und der mich innerhalb weniger Minuten grüßte [ ]. Dies war zumindest ein wesentlicher Unterschied zur früheren Seesenderzeit, als die Kommunikation mit den DJs auf dem Schiff nur auf dem Postweg möglich war…

Somit schloss sich in gewisser Hinsicht ein Kreis. Aber um ganz ehrlich zu sein: Wenn überhaupt, dann höre ich heutzutage Pop- und Rockmusik in der Regel nur noch über das Internet. Dies allerdings auch im Auto, da sich das Handy problemlos per Bluetooth mit dem Autoradio verbinden lässt. Wer hätte das gedacht: Radio Caroline in hervorragender Qualität live im Auto (leider nur ohne Sendeschiff in der Nordsee).

Epilog

Der schon erwähnte niederländische Radio Day wurde 1994 in Utrecht und dann mehrere Jahre im Hotel Casa 400 in Amsterdam veranstaltet. Das Hotel wurde 2009 abgerissen und im folgenden Jahr durch einen Neubau ersetzt, der uns wesentlich bessere, moderne Räumlichkeiten bot.. Mit einer Ausnahme (1998 besuchten wir gerade David in den USA) war ich seit 1993 jedes Jahr beim Radio Day dabei. Von 2004 bis 2014 war ich dann zusammen mit Hans Knot und Rob Olthof † für die Organisation dieser Veranstaltung verantwortlich. Ich stellte jedes Jahr das Programm zusammen und lud die Gäste aus der Seesenderszene ein. Von Jahr zu Jahr vergrößerte sich der Zustrom der Besucher, und wir konnten zahlreiche “Offshore-Radio-Celebrities” nicht nur aus ganz Europa, sondern auch aus Amerika, Australien und dem Nahen Osten willkommen heißen. Zum Höhepunkt wurde der von uns letztmalig verantwortete Radio Day im März 2014.

Seit 2001 findet jährlich der großartige Erkrather Radiotag statt (zunächst in der dortigen Sternwarte, seit einigen Jahren aber im QQTec-Museum in Hilden), und hier habe ich mit einer krankheitsbedingten Ausnahme niemals gefehlt. “Erkrath” ist immer mehr zu einer willkommenen Wiedersehensfeier zahlreicher Hobbyfreunde geworden.

In den Jahren 1999 und 2000 besuchte ich das Seesendertreffen von “Offshore Echos” in Calais. Ich nahm im Laufe der Jahre die MV Communicator, Radio Veronicas Sendeschiff Norderney und auch die MV Ross Revenge in Augenschein. Besondere Freude bereiteten mir nostalgische Treffen im Hotel Lapershoek in Hilversum (Radio Veronicas ehemaliges Landstudio) und im Museum RockArt in Hoek van Holland, aber auch zwei Offshore-Treffen in Belgien. Nostalgische Seesendertage auf Schiffen vor der holländischen Nordseeküste und Boottrips zur REM-eiland vor Noordwijk erfreuten mein Herz. Viermal fuhr ich mit Ulrike und meinen holländischen Freunden nach London, wo wir an faszinierenden Treffen mit unzähligen Seesender-DJs aus den sechziger Jahren teilnehmen durften. 2017 besuchte ich mit Hans auch das Sendeschiff LV 18 in Harwich, das durch zahlreiche RSLs von RNI und Radio Mi Amigo bekannt wurde.

Einen besonderen Höhepunkt stellten die wiederholten Trips zum Sendeschiff Jenni Baynton (Radio Waddenzee, Radio Seagull) dar, das seit 2005 immer wieder die Erinnerungen an die Seesenderzeit auffrischt. Jährliche (legale) Offshore-Sendewochen im Wattenmeer vor Harlingen einschließlich regelmäßiger Tendertrips zum Sendeschiff ließen das Herz des Seesenderfans anhaltend schneller schlagen. Chapeau, Sietse, Walter und Co.! Die low-power-Mittelwellensendungen von der Jenni Baynton konnte ich aber leider in Meppen nie empfangen, hörte sie aber In Friesland mit Freude über Mittelwelle im Auto.

Meine Sammlung an Mitschnitten und Videoaufnahmen nahm von Jahr zu Jahr exponentiell zu, so dass immer voluminösere Festplatten rasch an ihre Kapazitätsgrenzen gerieten und daher nun zwei Server die riesigen Datenmengen sichern. Aber wer will das alles jemals hören?

Ich entwickelte eine Vorliebe für die „Offshore Radio Tunes“, also die zahllosen Erkennungsmelodien der verschiedenen Sendungen und DJs der Seesender, so dass ich inzwischen eine in die Tausende gehende Zahl zumeist instrumentaler Musiktitel besitze, die ich entsprechend genau zuordnen kann [ ]. Stundenlang zeichnete mein PC Internet-Streams mit früheren Offshore-Jocks wie Keith Skues, Roger ‚Twiggy’ Day oder Roger Mathews auf. Unzählige Negative, Dias und Fotos wurden gescannt und bei Flickr untergebracht.

Eigentlich schon seit der Kindheit war ich auf der Suche nach Transistorradios und Rundfunkempfängern, die den Namen eines Seesenders auf der Skala trugen. Es dauerte Jahrzehnte, bis ich fündig wurde. Nach und nach wurde die Liste immer größer. Inzwischen grenzt sie an fast 250 Radios, die beispielsweise Caroline, Veronica oder Mercur anzeigen. Vor allem in der Coronazeit habe ich regelrecht Jagd gemacht auf derartige Empfangsgeräte. Ich mag hier gar nicht preisgeben, wie viele Radios in unserem Haus stehen, das inzwischen fast zu einem Rundfunkmuseum geworden ist…

Die Faszination der Seesender und ihre entsprechende Würdigung im Internet (unzählige Webseiten und Fotopräsentationen, viele Facebook-Gruppen und zahlreiche Downloadmöglichkeiten) förderten last but not least die Anbahnung unzähliger internationaler Kontakte.

Ich entwickelte freundschaftliche, sehr persönliche Beziehungen zu Hans Knot, Rob Olthof †, Christian Bergmann, François Lhote, Robert van Dam (Marc Jacobs auf Radio Mi Amigo), Jan van Heeren, Ferry Eden, Gerhard Fiolka, Jan Sundermann, Franz-Ludwig Pohlmeier, Gunnar Leonhard, Chris und Mary Payne. Ich habe (hatte) regelmäßige und überaus angenehme Verbindungen zu weiteren Seesenderfreunden, von denen ich stellvertretend Theo Dencker, Werner Tschoepe, Hans-Joachim Backhus (Gerecht), Christoph Ueberschaar, Ben Meijering, Helmut Slawik, Ingo Paternoster, Henk Verhaag, Vincent Schriel, Alex van den Hoek, Chris Edwards, Alan Milewczyk †, Jonathan Myer, Hans Hendriks, Alan Beech, Mandy Marton, Mike Brand, Paul de Haan, Martijn Stapper, Jan-Fre Vos, Douwe Dijkstra, Wim van de Water, Sietse Brouwer, Theo Bakker, Jim Parkes, Bert van der Laan, Peter Messingfeld, Peter und Werner Hartwig †,  Frank Leonhardt, Stephan Kaiser, Chet Reuter, Kurt Gohla, Helmut Runge †, Per Alarud, Nick Barker †, Wolfram Bender, Jesco Dörk, Ian Biggar, Claus Grote, Freddie Schorsch †, Walter Galle, Graham Gill †, Herbert Visser, Keith Skues und Paul (Alexander) Rusling nennen will (bestimmt hab ich jetzt jemanden hier vergessen).

Und ich lernte zahlreiche Diskjockeys und Seesendermitarbeiter persönlich kennen oder führte Interviews mit ihnen. Vorrangig seien Graham Gill †, Ad Roland, Ulf D. Posé (Hannibal) †, Bert Bennett, Ferry Eden, Herbert Visser, Johnny Lewis, Wout van der Meer (Peter de Vries), Dick Verheul, Andy Archer, Johnny Jason, Peter Chicago, Dennis King, Marc Jacobs, Norman Barrington, Dave Williams †, Ad Roberts †, Jan Parent (Veldkamp), Tom Mulder (Klaas Vaak) †, Juul Geleick, Wim van Egmond, Marc van Amstel, Look Boden, Leendert Vingerling, Gerard van Dam †, Norman Barrington, Ray Anderson, Bob Le-Roi, Hans Hogendoorn, Nico Steenbergen, Dick de Graaf †, Peter Jager, John Aston †, Stevie Gordon, Victor Pelli, Ray Clark, Martin Green, Marc Sloane, Bud Ballou, Wally Meehan †, Alan Turner †, Greg Bance (Arnold Layne, Roger Scott), Bill Rollins, Gerry Zierler (Guy Hamilton), David Foster, Steve Conway, Chris Kennedy, Paul (Alexander) Rusling, Robin Adcroft (Banks), Bob Noakes, Duncan Johnson †, Ian Damon, Don Stevens, Robbie Owen, Charlie Wolf, Jessie Brandon, Ron O’Quinn, Johnnie Walker, Robbie Dale †, Roger ‚Twiggy’ Day und Keith Skues hervorgehoben. 

Die vielen „Empfangsversuche“ haben sich also in vielfältiger Weise gelohnt und dafür bin ich sehr dankbar.

Radio Day 2014 - Caroline Sixties Panel - foto Vincent Schriel
Radio Day 2014 – Caroline Sixties Panel – foto Vincent Schriel