Ray Clark – Stay Tunes – Review (E-NL-D)
Ferry Eden: Mi Amigo – De Vlaamse Tack van de zeezenders
Das Phänomen “Seesender” ist seit fast drei Jahrzehnte Geschichte. Umso mehr Bücher über diese faszinierende Epoche erscheinen von Jahr zu Jahr. Das neueste Werk von Ferry Eden ragt dabei zweifellos heraus und ist ein Muss für alle Interessenten. Als ich es zum ersten Mal in der Hand hielt, hatte ich ein Gefühl wie Weihnachten. Zunächst fällt das große A4-Format positiv auf. Ein fester Einband umfasst die 200 Seiten Hochglanzpapier. Der in niederländischer Sprache geschriebene Text ist angenehm zu lesen und umfasst zahllose Details. Ferry Eden als langjähriger Mi-Amigo-Mitarbeiter und somit eingefleischter Experte hat viele Kollegen befragt und ein wunderbares Kaleidoskop dieses spannenden Kapitels des flämischen Seesenders mit meist niederländischen Diskjockeys geschaffen. So finden wir exklusive Beiträge bekannter Persönlichkeiten wie beispielsweise Marc Jacobs, Norbert, Ton Schipper, Will van der Steen oder Adriaan van Landschoot.
Ferry Eden lässt keine Einzelheit aus, beschreibt die technischen Aspekte, das Schiff, die Kollegen und Mitarbeiter an Land und auf See und hält besonders detailliert die Geschichte des Sendeschiffs MV Mi Amigo fest. Auch die abenteuerliche Geschichte der MV Magdalena fehlt natürlich nicht. Mehr als 500 Fotos (viele davon in Farbe und häufig bislang unveröffentlicht) geben dem Ganzen die besondere Würze. In meinem Bücherregal haben sich im Laufe von fast fünf Jahrzehnten viele Bücher zum Thema “offshore radio” angesammelt. Wenige davon nehme ich immer wieder in die Hand, um aufs Neue darin zu lesen und zu blättern, so etwa Gerry Bishop’s “Offshore Radio”. Das neue Buch von Ferry Eden wird ganz gewiss dazu gehören.
„Shiprocked“ von Steve Conway
Steve Conways neues englischsprachiges Buch „Shiprocked“ fesselt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Es schildert die dramatischen letzten Sendejahre des Seesenders Radio Caroline an Bord der Ross Revenge von 1987 bis 1990. Mastbrüche, versagende Technik, „Überfall“ der niederländischen und englischen Behörden, Versorgungsmängel, aber auch bewundernswerte Kameradschaft mit Mobilisierung aller Kräfte zum Erhalt des legendären Senders machen das Buch zur spannenden Lektüre und zum „Muss“ für jeden Offshore-Radio-Fan. Während eines Hurrikans im November 1991 gaben die letzten 6 Aufrechten an Bord schließlich auf und wurden von einem Helikopter gerettet.
Der Autor begann als gerade 22 Jahre junger Nachrichtensprecher im Februar 1987 an Bord und arbeitete dort später auch als Diskjockey und Programmverantwortlicher.
Für den interessierten Leser hier einige Anmerkungen, die das Vergnügen an dem längst überfälligen, lesenswerten Buch keineswegs schmälern sollen:
Im Vergleich zur Leichtigkeit und Aufmüpfigkeit der 60er Jahre („fun and exitement“) und den „coolen“ Hippiejahren der 70er bei Radio Caroline spiegelt sich sowohl in diesem 80er-Jahre-Buch als auch in den damaligen Caroline-558-Sendungen der Wunsch nach Ernsthaftigkeit und Seriosität wieder, vielleicht stärker noch: Der verzweifelte Wille, nicht nur ernstgenommen zu werden sondern letztlich zu überleben, sich und dem Sender wie auch immer eine Zukunft zu sichern. Fast scheint es, als begleite man das krebskranke Phänomen „Radio Caroline“ auf seinem unausweichlich tödlich endenden letzten Weg. Es fehlt an Öl, Geld und Nahrungsmitteln, und die technische Apparatur versagt immer wieder an allen Ecken und Kanten, aber der kranke Patient beugt sich noch ungezählte Male auf, leistet verzweifelten Widerstand gegen seine vorgezeichnetes Schicksal. Nur selten spürt man, dass es auch Spaß und Freude an Bord gab, und nur einmal wird ein „practical joke“ mit Mark Warner geschildert (für die die beteiligten DJs aber sogleich vom strengen Kollegen Kevin Turner abgestraft werden).
So gut wie nie werden Alkohol- oder gar Drogenexzesse geschildert (weil sie tatsächlich kaum vorkamen?). Auch Sexualität spielt in Steves Buch kaum eine Rolle (trotz so mancher Frauen an Bord). Homosexualität scheint ein Tabu, das der aus strengen katholischen Verhältnissen stammende irische Autor in seinem Buch niemals anspricht. Man merkt sofort: Es herrschten in Wirklichkeit ganz andere Verhältnisse vor, als sie in dem Kinofilm „The Boat That Rocked“ (deutsche Fassung: „Radio Rock Revolution“) fiktiv zur Darstellung kamen.
Steve übernimmt und verfeinert als Programmchef das strenge Musikformat der Station, das von Peter Philips ausgeklügelt wurde und das dem DJ – im Gegensatz zu den 60er und 70er Jahren – nur wenige Freiheiten ließ. Naserümpfend äußert er sich über die chaotische Zeit zu Beginn der Sendungen von der Ross Revenge 1983/84, als „der eine Reggae, der andere Blues“ spielte. Und an seinem Kollegen Dave Asher mit seiner ungezügelten, spontanen, impulsiven Haltung vor dem Mikrofon und seinen gekünstelten sprachlichen Akzenten lässt er zunächst kaum ein gutes Haar. Umso enttäuschter reagiert er, als er ausgerechnet von seinem so hochgeschätzten Kollegen Peter Philips kritisiert wird, manches hätte „noch besser laufen“ können unter seiner Leitung…
Besonders auffallend ist die tragende und alle anderen deutlich beherrschende Rolle der „Vaterfiguren“ Peter Chicago, Mike Watts und Ernie Stevenson (allesamt erfahrene Techniker). Aber auch Peter Philips, Kevin Turner und schließlich Steve Conway selbst übernehmen Verantwortung und sorgen für die notwendige Disziplin an Bord, der sich (fast) alle anderen unterordnen. So wirkt in Steves Erzählung der nur 5 Jahre jüngere „Little“ Steve Masters vergleichsweise fast wie ein (allerdings ebenfalls sehr angepasstes) Kind. Als plötzlich und unerwartet mit dem skurrilen Kapitän Jim eine weitere Vaterfigur auftaucht, wird diese schnell als „völlig inkompetenter“ Eindringling weggeekelt.
Auffallend ist der riesige Abstand zu den Hörern, die nur am Rande im Buch erwähnt werden. Man bedenke allerdings, dass der Kontakt nur per Brief – mit Umweg über Spanien – möglich war. Zur damaligen Zeit gab es an Bord gab es weder Telefon noch SMS, E-Mail, Chat oder Twitter – es scheint, als läge die Erzählung schon Lichtjahre zurück. Nur einmal ist vom Besuch einiger – zum Teil fast etwas störend erlebter – „Anoraks“ die Rede. Als tatkräftiger, einfallsreicher Unterstützer an Land erweist sich vor allem Steves Freund John Burch vom „Caroline Movement“, einer Organisation begeisterter Hörer, ohne die die Ross Revenge zweifellos viel früher am Ende gewesen wäre.
Von legendären Tenderkapitän Leendert Vingerling ist überraschender Weise niemals die Rede (immer nur von „Willie and Freddie“). Das Verhältnis zwischen den Niederländern und den Engländern wird im Übrigen als sehr distanziert beschrieben. Beide „Lager“ begegnen sich mit Misstrauen und Argwohn. Konkurrenzdenken und Neidgefühle werden deutlich (so wurden die Niederländer bezahlt, aber die englischen DJs mussten sich – ohne Bezahlung – für verschiedene Aufgaben an Bord verantwortlich zeigen). Für mich bislang unbekannt ist die Szene aus dem Sommer 1987, als die gesamte englische Crew mitten in der Nacht bewaffnet auf das Eintreffen des niederländischen Tenders Bellatrix wartet, weil man Fred Bolland Verrat unterstellt und auf den (niemals realisierten) Wechsel von Radio Monique zur MV Communicator eingestellt ist (Peter Chicago an Bord der Bellatrix gibt dann Entwarnung). Die Niederländer schienen in Steves Augen zwar unerlässlich als Geldgeber für die Sendungen von Radio Monique und später Radio 558/819 und World Mission Radio), wurden scheinbar aber mit wenigen Ausnahmen (Ad Roberts, Erwin van der Bliek) keine richtigen Freunde.
Überraschend spielt der „Übervater“ Ronan O‘Rahilly als graue Eminenz bis zum Schluss des Buches eine tragende Rolle. Immer wieder trifft sich Steve mit ihm in der King’s Road. Ronan macht Vorschläge, gibt Anweisungen und überreicht sogar mehrfach – unter dem Tisch – größere Geldsummen! Mit dem seltsamen und vor allem kostspieligen Fiberglasmast aus Kanada setzt er sich gegenüber allen Bedenkenträgern problemlos durch und erleidet damit völligen Schiffbruch. Erstaunlicher Weise lässt sich Steve im Sommer 1991 von ihm überreden, als „Caretaker“ das längst von allen guten Geistern verlassene und seit Monaten still schweigende Sendeschiff auf hoher See monatelang zu bewachen, gemeinsam mit seiner Freundin und 4 Kollegen, ohne Seeleute und ohne Kapitän…
Jan Sundermann – Offshore Radio Engineering
Im Laufe der vergangenen 50 Jahre sind fast 200 Bücher zum Thema ‘Seesender’ erschienen, die nahezu alle Aspekte dieses spannenden Genres abdecken. Im Vordergrund stehen in der Regel die aufregenden Geschichten um Mast- und Schiffbrüche, gerissene Ankerketten, betrunkene Besatzungsmitglieder und häufig egomane Diskjockeys, die als ‘Piraten’ zu Helden ganzer Generationen von Pop- und Rockmusikliebhabern wurden.
Jan Sundermann hat nun ein neues Buch veröffentlicht, das so ganz und gar nicht in dieses Klischee passt. Sein Werk “Offshore Radio Engineering” befasst sich mit zunächst dröge anmutenden Fragestellungen. Es geht nämlich vorrangig um technische Fragen: Welche Sendeschiffe kamen in den 4 Jahrzehnten zum Einsatz, welche Antennenanlagen wurden errichtet und welche Masten benutzt? Die unterschiedlichen Sendeeinrichtungen und auch die (bescheidenen) Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Besatzung und Mitarbeitern an Land werden erörtert. Schließlich geht der Autor detailliert auf die verschiedenen Ankersysteme und die Navigationsmöglichkeiten der so unterschiedlich ausgerüsteten Schiffe ein.
Sundermann gelingt es in seinem Übersichtswerk auf hervorragende Weise, eine tatsächlich noch vorhandene Lücke zu schließen und ein eigentlich trockenes Thema mit viel Sachverstand anschaulich und mit zahlreichen, vorher zum Teil völlig unbekannten Details zu beleuchten. Entsprechend ist sein (in englischer Sprache geschriebenes) Buch nicht nur für technisch und historisch interessierte Seesenderfreaks, sondern für jeden Radiofreund eine Kaufempfehlung.
Das reichlich illustriertes, mit vielen Fotos und Schemata versehenes Buch.
Der goldene Glanz von RNI
Radio Nordsee International (RNI) war für viele Seesender-Fans die Station, die am meisten faszinierte. Von Februar 1970 bis August 1974 fesselten die Sendungen von dem bunten Sendeschiff Mebo II Hörer in ganz Europa. Die Erkennungsmelodie lässt heute noch so manchem Zeitzeugen Schauer über den Rücken laufen. Besonders das erste Jahr hatte es in sich. Die Fahrt der Mebo II von der holländischen zur englischen Küste und wenige Monate wieder zurück, die häufigen Frequenzwechsel, der englische Störsender, der vorübergehende Namensänderung in Radio Caroline mit aktiver Beteiligung am britischen Wahlkampf, die versuchte Kaperung durch Kees Manders und dann die plötzliche (vorübergehende) Einstellung der Sendungen im September – man kam kaum zum Atmen und saß täglich am Empfangsgerät. Die parallel ausgestrahlten Kurzwellensendungen machten dabei den Empfang auch in beiden Teilen Deutschlands zumindest tagsüber gut möglich, und so fand RNI viele Liebhaber auch in der ehemaligen DDR. Und es ging weiter mit aufregenden Entwicklungen: Der Brandanschlag auf die Mebo II im Mai 1971 fand sogar den Weg in die deutsche Tagesschau und sorgte im Endeffekt für noch mehr Hörer. RNI wurde zum “Sound of Young Europe”, und seine Deejays wurden genauso bekannt und beliebt wie die Bands, deren Musik man spielte. Die DX-Sendung mit A.J. Beirens und seinen deutschen Kollegen Peter und Werner Hartwig war jahrelang ein sonntägliches “Muss”.
Seither sind viele Bücher zum Thema “Offshore Radio” erschienen, mit deren Hilfe die Geschichte der Seesender gut nachempfunden werden kann. Besonders Radio Caroline wurde von vielen Autoren immer wieder beleuchtet. RNI-Fans hingegen mussten schon gut suchen, bis sie geeignetes Material fanden. Bereits im Herbst 1970 erschien das erste RNI-Fotobuch, und 1986 schrieb Hans Knot dann seine “Historie van RNI”. 40 Jahre nach dem Ende der RNI-Sendungen am 31. August 1974 ist nun endlich ein umfassendes Werk erschienen, das die Herzen der Radio-Nordsee-Begeisterten höher schlagen lässt. “De gouden glans van radio” ist der einem bekannten Jingle von Hans ten Hooge nachempfundene Titel des Buchs, das Ferry Eden (ehemals auf Hoher See bei Radio Mi Amigo und Radio Monique) und der niederländische RNI-Deejay Marc van Amstel geschrieben haben. Beiden ist es auf exzellente Weise gelungen, die wechselvolle und spannende Geschichte der Offshorestation RNI in Erinnerung zu bringen. Auf 160 Seiten findet man 175 oft farbige und zum Teil bislang unveröffentlichte Fotos, weitere 75 Abbildungen (z.B. Zeitungsausschnitte oder Sticker) und vor allem hautnahe Beiträge vieler ehemaliger Mitarbeiter. So kommen die Schweizer Unternehmer und Schiffseigner Erwin Meister und Edwin Bollier, der Mebo-Kapitän Jan Harteveld und RNI-Deejays wie beispielsweise Andy Archer, Joost den Draaijer, Jan van Veen, Ferry Maat, Tony Berk, Leo van der Goot und Hans ten Hooge zu Wort. Man lernt noch einmal, welche Schallplatten damals in den Top 40 standen und den typischen Sound von RNI prägten. Das reichlich illustrierte, liebevoll zusammengestellte und kurzweilig geschriebene Buch lässt keine Facette der in mehrfacher Hinsicht farbenreichen Radiostation aus. Einziger Nachteil: Es ist in holländischer Sprache erschienen. Und dennoch garantiere ich Ihnen: Selbst wenn Sie kein einziges Wort verstehen (was ich mir nicht vorstellen kann) werden Sie das Buch nicht so schnell aus der Hand legen und die Anschaffung niemals bereuen.
The Radio Caroline Bible von Paul Rusling
Ich verfolge die Geschichte der Seesender schon seit Jahrzehnten intensiv, und meine Büchersammlung zu diesem Thema ist beeindruckend und fast vollständig. Vor allem über Radio Caroline gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, die sich aber meist auf die sechziger Jahre konzentrieren. Die siebziger und achtziger Jahre werden immer wieder nur kursorisch behandelt.
Das hat sich nun geändert: Paul Rusling hat die “Caroline Bible” veröffentlicht, ein Mammutwerk, das nicht nur die Geschichte des legendären Radiosenders akribisch darstellt. Es enthält alle bekannten und weniger bekannten Details über die Schiffe, die Sender, hunderte Diskjockeys und Helfer im Hintergrund mit unzähligen Anekdoten und einem Berg an Detailwissen. Für den interessierten Radiohörer ist ein unverzichtbares Nachschlagewerk entstanden, dessen Lektüre den Leser nicht mehr loslässt. Rusling hat unzählige Quellen konsultiert, viele Interviews geführt und hunderte Fotos zusammengetragen, von denen viele bisher unbekannt waren.
Zweifellos ein Muss für jeden, der sich für Radiogeschichte und Offshore Radio interessiert!
I have been following the history of offshore radio intensively for decades, and my book collection on the subject is impressive and almost complete. Especially on Radio Caroline there are numerous publications, but most of them focus on the sixties. Again and again the seventies and eighties are only cursorily treated.
That has now changed: Paul Rusling has published the “Caroline Bible”, a mammoth work that not only meticulously depicts the history of the legendary radio station. It contains all known and less familiar details about the ships, the transmitters, the hundreds of deejays and helpers in the background with countless anecdotes and a mountain of in-depth knowledge. For the interested radio listener an indispensable reference book has been created, the reading of which will not let the reader go. Rusling has consulted countless sources, conducted many interviews and compiled hundreds of photos, many of which were previously unknown.
Without any doubt a must-have for anyone interested in radio history and the watery wireless!
[Alle Texte: Martin van der Ven]