Noch ist die Frage nicht beantwortet, was von den Seesendern überdauern wird. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Ihre Musik und der unvergleichliche Präsentationsstil ihrer DJs. Das Top-40-Radio hielt mit den schwimmenden Radiostationen in Europa Einzug, und in den siebziger Jahren waren vor allem Radio Caroline und Radio Seagull mit ihrem Album Rock erneut innovativ. Die Musik faszinierte damals eine bestimmte Altersgruppe, war Teil der Pop- und Hippiekultur, blieb aber doch noch einer Minderheit vorbehalten. Heutzutage hört man in jedem Hotelaufzug, auf vielen Berghütten, am Strand, in den Kneipen und Gaststätten, aber auch in allen Kaufhäusern Melodien von den Beatles, Eric Clapton, Neil Young und Pink Floyd. Wollen Radiostationen vor allem bei älteren Hörern erfolgreich sein, so spielen sie “die besten Oldies der sechziger, siebziger und achtziger Jahre”. Man mag diese Berieselung nervig finden und sich bei zunehmendem Lebensalter manchmal lieber Klassikmusik auf der Terrasse wünschen. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen: Die stilprägende Musik der Seesender hat sich überall durchgesetzt und ist Bestandteil unserer Kultur geworden.
Das neue Buch von Peter Messingfeld bietet einen spannenden Einblick in die Geschichte des ikonischen Offshore-Station Radio Caroline und ihren prägenden Einfluss auf die Musikszene. Radio Caroline ist seit 6 Jahrzehnten ein Symbol für Rebellion und musikalische Freiheit. Von den Rock- und Popklängen der 1960er über Punk und New Wave der 1970er und 80er bis hin zu Grunge und Britpop der 90er Jahre zeigt das Buch auf, wie der Sender immer neue musikalische Trends aufgriff und seine Auswahl stetig weiterentwickelte. Dabei werden nicht nur musikalische, sondern auch soziale und politische Einflüsse beleuchtet, die die Entwicklung der Radiostation geprägt haben.
Das Werk enthält zudem 14 ausgewählte Hitparaden, die Radio Caroline über sechs Jahrzehnte hinweg gesendet hat, teils zu besonderen Anlässen. Diese Zusammenstellungen veranschaulichen beispielhaft die musikalische Vielfalt, die Radio Caroline über Generationen hinweg bekannt gemacht hat. Sie zeigen eindrucksvoll, wie der Sender Künstler und Musikrichtungen jenseits des Mainstreams gefördert und einem breiten Publikum nähergebracht hat.
Unter den Caroline-Diskjockeys und Technikern gab es immer wieder heftige, bisweilen verbittert geführte Diskussionen um das beste “Musikformat”, die sich im Nachhinein als produktiv für den Abwechslungsreichtum der zu hörenden Titel erwiesen. Im Zweifelsfall spielte jede(r) einfach das, was ihm oder ihr gefiel. Das eBook verdeutlicht besonders Radio Carolines Pionierrolle für alternative Musik (“Europe’s first and only album station”) und seine Bedeutung als Inspirationsquelle für Generationen von Musikliebhabern. Es ist eine Hommage an den legendären Seesender, der trotz aller Herausforderungen seiner Mission treu blieb: Musik zu fördern, die Grenzen überschreitet, verbindet und begeistert.
Über Radio Caroline ist schon so manches empfehlenswerte Buch geschrieben worden. Peter Messingfelds Buch schließt jedoch eine Lücke und kann deshalb allen Musikliebhabern und an der Geschichte des Rundfunks interessierten Lesern unbedingt empfohlen werden.
Eine Rezension von Martin van der Ven, Oktober 2024
Das Buch hat 196 Seiten mit 18 Fotos, 8 Illustrationen und ist durchgehend vierfarbig. Das Buch ist bei Amazon als e-book und Taschenbuch entweder in deutsch oder englisch erhältlich. Man kann es hier bestellen.